Warum FrankfurtRheinMain eine Bürger-Aktiengesellschaft zur Finanzierung landwirtschaftlicher und sozial-ökologischer Projekte braucht.

von Joerg Weber

Wirtschaften wie bisher ist keine Option für die Zukunft – sozial-ökologisch nachhaltiges Umdenken ist notwendig.

Das Paradigma des neuen Zeitalter des Wirtschaftens ist klar, die finanzielle Wertschöpfung alleine kann kein Ziel für sich mehr sein, wir müssen die sozial-ökologischen Effekte eines jeden Wirtschaftsprozesses mit betrachten, einkalkulieren, zum finanziellen Jahresergebnis hinzufügen und mitbilanzieren. Dies trifft auf die Makro Sichtweise (Volkswirtschaft) ebenso zu, wie auf die Mikro Sichtweise (Betriebswirtschaft).

An der Landwirtschaft kann man die negative Entwicklung unter dem Einfluss einer einseitig verstandenen Kapital- und Betriebswirtschaft wohl am besten nachvollziehen. Der Druck jährlich positive finanzielle Geschäftsergebnisse zu erzielen hat bereits seit langem negative Konsequenzen auf die Kulturlandschaft, die Biodiversität, die Nahrungsmittelqualität (Gammelfleisch, Dioxin in Hühnereiern) und die (immer weniger werdenden) Menschen, die in der Landwirtschaft arbeiten. Wenn nur noch das erwirtschaftete Kapital im Blickpunkt des Interesses steht und nicht mehr die eigentlichen Leistungen der Landwirtschaft und die Qualität der Produkte, dann stehen wir irgendwann vor der Frage, wer unser Essen noch produzieren will und kann oder in welcher Kulturlandschaft wir eigentlich leben. Diese Frage sollte uns schon umtreiben, wenn wir – ganz abgesehen von Bioprodukten- sehen, wie die Preise für Lebensmittel bei den Discountern immer weiter sinken.

Was wir brauchen ist ein Wirtschaftsverständnis das die Qualität wieder mit einbezieht, nicht nur die der Produkte, sondern auch die Boden und Lebensqualität und das Verhältnis zwischen den handelnden Partnern. Kernthemen unserer Aktivitäten muss die langfristige Sicherung der Nahrungsmittelqualität, die Ermöglichung einer lebenserhaltenen Landwirtschaft in ökologischer Wirtschaftsweise, der Schutz vor Bodenspekulation (auch und vor allem im Hinblick auf die derzeitige großflächige Umwandlung guter Böden zur Energiegewinnung) und die für alle Beteiligten auskömmliche Ertragslage sein. Hierzu muss es um die Ausweitung der ökologischen Landwirtschaft in unserer Region gehen, um die stärkere regionale Vernetzung mit Partnern und anderen Marktteilnehmern. Ein wichtiger Punkt ist in diesem Zusammenhang auch die stärkere Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien bei der Bewirtschaftung, sowie die Rechts- und Eigentumsform von Betrieben.

Welche Gesellschaftsform wäre geeigneter für die grundlegende Veränderung als die Aktiengesellschaft? Keine, denn gerade sie wurde in den letzten Jahrzehnten missbraucht für den Finanzegozentrismus. Den „shareholder-value“ nicht nur in flüchtiger Geldrendite, sondern auch in immateriellen Werten zu fordern, nicht später, sondern jetzt, das ist die
Forderung, die von einer Bürgeraktiengesellschaft, in die aufgeklärte Menschen investieren, ausgeht. Es muss zusätzlich einen Fairholder Value geben.

In FrankfurtRheinMain wohnen solche Menschen, die wissen, dass auf der Rückseite des heutigen Wirtschaftensschäden entstehen, deren Reparatur mittelfristig nicht mehr bezahlbar und reparierbar sind. Um diesen Menschen eine weitere Möglichkeit zu geben ihr Kapital sinnvoll und „wachsend“ einzusetzen, brauchen wir hier, wie beim Beispiel der Regionalwert AG in Freiburg, eine Bürgeraktiengesellschaft die sich verpflichtet, den „shareholder- zum Fairholdervalue“ zu erweitern, hin zu den wirklichen Werten. Mit dem Kapital werden dann solche Unternehmen finanziert und gegründet, die das Ganze, die soziale, ökologische und finanzielle Nachhaltigkeit gleichermaßen im Blick haben und für die die „Erhaltung der Kulturlandschaft“ noch ein Wert ist, für den es zu arbeiten gilt. Die Bürgeraktiengesellschaft ist geeignet sich vielfältig einzubringen und unterschiedliche Herausforderungen anzunehmen. Die AG kann einerseits beraten und vermitteln, aber auch selbst investieren und sich an geeigneten Projekten beteiligen.

So können landwirtschaftliche Bio-Betriebe und Gärtnereien -auch im Hinblick auf Nachfolgeregelungen- unterstützt oder als Ganzes durch die Bürger AG erworben werden, es können sozial-ökologische Gemeinschaftsprojekte auf den Weg gebracht werden.

Weitere Zielgruppen sind Unternehmen und Projekte im Umfeld des Bio-Handels, der Bio-Gastronomie und -Caterings und mehr, aber auch alternative und soziale Wohnformen und ein menschenwürdiges Gesundheitswesen. Was letztendlich Inhalt und Beteiligungsgrundlage dieser Bürger AG wird, muß durch Diskussionen im Beirat und Aufsichtsrat festgezurrt werden.

Die Bürgeraktiengesellschaft soll die Möglichkeit schaffen, ethisches Investment vor Ort und unter Berücksichtigung der regionalen Struktur unserer Region zu ermöglichen. Unter ethischem Investment* versteht man in diesem Zusammenhang Geldanlagen, die neben Renditekriterien auch ethische Wertvorstellungen des Anlegers berücksichtigen. Oft wird auch von ökologischem und sozial verantwortlichem Investment gesprochen. In der Region FrankfurtRheinMain ist es in mehrfacher Hinsicht sinnvoll, eine Bürgeraktiengesellschaft im obigen Sinne zu etablieren. Dies, da es hier genügend Menschen gibt, die sich im Sinne sozial-ökologischer Lebensweise engagieren und auch in finanzieller Hinsicht nachvollziehen möchten, was mit ihrem Geld passiert. Sie wollen vom Erfolg partizipieren und dies mit einem guten Gewissen. Die Bürger AG fungiert als Kapitalsammelstelle und möchte diesen Menschen in der Region, die sich für ethische, soziale und ökologische Projekte interessieren, die Möglichkeit geben, ein Teil ihres Geldes hier zu investieren und damit auch direkt Verantwortung zu tragen.

*Exkurs: Die Idee ethischen Investments hat ihren Ursprung in den Siebziger Jahren in den Bewegungen gegen Apartheid in Südafrika und gegen den Vietnamkrieg. Kein „Geld für Rüstung und Apartheid“ war die Devise derer, die nicht mit ihrem Geld das finanzieren wollen, was sie mit ihrem politischen Engagement ablehnen. Zuerst entstanden in den USA und Großbritannien Fonds mit Ausschlusskriterien für diese Aktivitäten, vor allem auch für institutionelle Anleger wie Universitäten, Stiftungen und Kirchen. In Europa, vor allem Deutschland, kam Atomkraft als weiteres Kriterium hinzu. In den Siebziger Jahren machte die GLS Gemeinschaftsbank den Anfang, in den Achtziger Jahren kamen weitere alternative Banken wie die Ökobank in Frankfurt am Main oder die Alternative Bank Schweiz hinzu, die ökologische und soziale Projekte finanzieren. Seit den Neunziger Jahren spielt Kritik an der Globalisierung und der Ausweitung spekulativer Finanztransaktionen eine zunehmende Rolle für ethisch motiviertes Investment.